28 Jul, 2017

Rotschnabelkitta

Rotschnabelkitta

Urocissa erythrorhyncha

(Boddaert, 1783)

Für Freunde größerer, aktiver Vögel ist die Haltung von Rotschnabelkittas eine absolute Bereicherung. Diese Aussage soll im folgenden Artikel begründet werden.

Im Internet findet man bei der Suche nach Informationen zu diesen Vögeln unheimlich viele Bilder, Videos und Kurzbeschreibungen. Mir persönlich gefällt die Darstellung, die T. Pagel und B. Marcordes in ihrem Buch “Exotische Weichfresser” vornehmen ganz gut, da sie sich unter anderem auch mit meinen Erfahrungen deckt. Auszugsweise hier daraus, die Beschreibung betreffend, nur soviel: “ Die dohlengroße etwa 200 bis 250 g schwere Rotschnabelkitta hat eine prächtige Schwanzschleppe, gebildet von zwei etwa 45 cm langen Schwanzfedern. Die Gesamtlänge beträgt 65 bis 68 cm.” Zu ihrer markanten Färbung sollen die beigefügten Fotos reichen.

Herkunft:

Rotschnabelkittas leben, wie auch die anderen vier Urocissa-Arten, in Asien. Ihre Heimat erstreckt sich vom westlichen Himalaya über Vietnam bis Nordostchina. Diese Kittas bewohnen immergrüne Laubwälder, lockere Baumbestände und sind auch in Siedlungsnähe anzutreffen.

Die Haltung meiner Rotschnabelkittas ließe sich, was den Platz betrifft, noch optimieren. Die Aussenvoliere ist 2,2 m hoch und misst mit 5m Breite x 4m Tiefe gerade mal 20 m². Sie ist mit einem Rotdorn, einem Spireastrauch und einer Fichte bepflanzt, die allerdings schon seit Jahren daran gehindert werden, zu breit zu werden und die Volierenabdeckung zu durchwachsen. Der hintere Teil, angrenzend zur Innenvoliere, ist etwa einen Meter überdacht. Zur angrenzenden Nachbarvoliere meiner Kookaburras sind 2 Meter mit einer Plane verhangen und über die gesamte Tiefe doppelt mit Draht bespannt. Diese Maßnahme machte nicht nur die Streitfreude der Kittas nötig, sondern eher das Jagdverhalten der Kookaburras. Was fressbar erscheint, versuchen sie plötzlich und blitzschnell zu ergreifen, wozu auch Vogelzehen gehören, die sich am Gitter halten.

Die Innenvoliere ist 1,5 m tief, 2 m breit und 2,3 m hoch. Sie wird im Winter auf 10°C geheizt. Trotzdem einige Halter ihre Tiere im Freien überwintern lassen, sollte man es ihnen nicht prinzipiell zumuten. Meine Kittas schlafen immer in der Innenvoliere, obwohl sie jederzeit raus können.

Sicherlich kann man sagen, dass der vorhandene Raum ausreicht, was aber bedeutet, dass mehr auch besser wäre. Rotschnabelkittas brauchen Platz und der von mir zur Verfügung gestellte wird komplett genutzt. Es gibt keine Ecke, die ihrer Aufmerksamkeit entgeht. In den Volieren sind Äste sparsam in unterschiedlichen Höhen starr oder auch beweglich angebracht. Im Frühjahr werden einzelne morsche Baumstammstücken ausgelegt, die eine Basis für Insekten- und Kerbtieransammlungen bieten und damit helfen, den Speiseplan etwas abwechslungsreicher zu machen und auch zur Beschäftigung animieren. Den Boden halte ich relativ frei von Bewuchs. Lediglich einzelne kräftige Grassoden lasse ich stehen. Die Aktivitäten im Bodenbereich ließen merklich nach als er flächendeckend begrünt war. In der Innenvoliere verwende ich Rapshäcksel als Einstreu. Es hat sich in all meinen Volieren bewehrt, weil es kompostierbar, staubfrei, saugfähig und schwer genug ist, nicht bei jedem Flügelschlag aufgewirbelt zu werden.

Das Futterangebot ist, da Rotschnabelkittas Allesfresser sind, relativ umfangreich. Bei mir bekommen sie “Orlux Uni Patee Premium mit Spirulina”, aufgewertet mit T16 – beides von Versele-Laga. Dazu gebe ich pro Tier ein abgezogenes, gedritteltes Eintagsküken (der Dottersack wird entfernt), Mehlkäferlarven, Zophobas, wenn vorhanden Stinte, etwas Obst und Sämereien aus einem Fasanenfutter. Zur Jungenaufzucht wächst der Bedarf an tierischer Nahrung enorm und wird dann noch, allerdings sparsam, durch halbierte Mäuse oder Babymäuse ergänzt.

Die Kükenstücken, Mäuse und größeren Stinte werden von den Vögeln in Astgabeln, Aufhängungen zwischen Volierendraht und Ast oder Holzspalten gesteckt und dann zum Fressen zerpflückt. Häufig wird das Futter aber auch nur mit einem Fuß, meistens dem Linken, festgehalten und zerkleinert. Es kommt vor, dass versucht wird, das Futter zu verstecken, etwa in den Grassoden, unter der Wasserschale oder den morschen Holzstücken.

Verhalten:

Rotschnabelkittas sind – wie schon erwähnt – sehr aktive, neugierige und dabei ständig nach Beschäftigung suchende Vögel. So werden z. B. Stöckchen oder kleine Steine umhergetragen, beklopft, im Badewasser gewässert oder aus der Voliere befördert. Eine Dachdeckerfirma ließ bei Neueindeckungsarbeiten ungeachtet Schauben, Scheiben und kleine Blechteile in die Voliere fallen. Säuberlich wurden diese von den Kittas durch den Draht zur angrenzende Innenvoliere gesteckt.

Für gewöhnlich verschwinden die Rotschnabelkittas im Innenraum, wenn man sehr nahe an die Voliere kommt. Das Männchen ist etwas mutiger und droht gelegentlich mit gesenktem Kopf und leicht gefächertem Schwanz etwa in Kopfhöhe, dicht am Draht sitzend.

drohendes Männchen

Anders ist es zur Brutzeit. Zu Legezeit hüpfen beide Tiere in beschriebener Haltung, den Kopf ruckartig hin und her bewegend und laut krackelend an besagten Plätzen. Zum Ende der Brutzeit und in der Nestlingszeit flieht das Weibchen wieder in die Innenvoliere und das Männchen wechselt zwischen dem lauten “Schimpfen” von einer Stelle aus und wildem Umhergeflatter durch die Voliere. Es produziert sich natürlich besonders laut zeternd, wenn man die Voliere z. B. zur Nestkontrolle betritt, greift aber nicht an.

 drohendes Männchen

Beachtlich ist hierbei, dass die Kittas augenscheinlich den Volierendraht als schützende Begrenzung erkennen. In Zeiten, in denen sie sich nicht mit der Aufzucht beschäftigen müssen, scheint es ihnen ein Spaß zu sein, sich aus ihrer Voliere heraus mit vorbeiziehenden Katzen anzulegen. Dabei werden diese von den Kittas am Boden hüpfend, unmittelbar am Draht entlang, lautstark begleitet.

Auch die benachbarten Kookaburras werden von ihnen gelegentlich, scheinbar aus einer Laune heraus und wohl wissend, dass ihnen nichts passieren kann, mit Scheinattacken “angepöbelt”. Das wirkt nicht ängstlich oder hektisch, sondern eher lässig provozierend. Während der Brutzeit ist das anders. Es wird nicht mehr jeder Katzen-Vorbeimarsch kommentiert und wenn, dann von oben herab – also von einer Sitzstange aus. Raubvögel werden wohl instinktiv als Feinde angesehen. Ein dicht über die Voliere fliegender Habicht wurde von ihnen laut keckernd, an der Volierendecke hängend und mit dem Schnabel nach oben stoßend, bedroht. Eine Taube, die dort landete, wurde ignoriert.

Wie andere Rabenvögel auch, ahmen sie Töne aus ihrer Umgebung nach und erweitern dabei ihr Geräuschrepertoire. Meine Rotschnabelkittas haben darin allerdings kein großes Talent. Sie scheinen eine Vorliebe für unangenehme Töne zu haben. Für den relativ einfachen Ruf eines Greifvogels oder einer Gans sind sie empfänglicher als nur ansatzweise für den Gesang des benachbarten Augenbrauenhäherlings. Den Ruf der Flammenkopfbartvögel tragen sie langgezogener und abgehackter, aber nicht so ausdauernd wie diese, gerne schmetternd vor. Üblich sind allerdings ihre harten und kurzen Lautreihen, die an die Rufe unserer heimischen Elstern erinnern.

Von einer Vergesellschaftung mit anderen Vögeln sollte man absehen. In dem Buch “Exotische Weichfresser”, wird geschrieben, dass man eine Vergesellschaftung mit großen Hühnervögeln versuchen kann. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass es mit kleinen Hühnern – also Fasanen – nicht geht. Eine Gruppe von drei jungen, abgesetzten Männchen entdeckten eine schöne Beschäftigung im Spiel mit einem Goldfasanenhahn. Es war Mobbing! Er wurde nicht gehackt oder berupft, sondern nur relativ stoisch getrieben und das von allen. Der Fasan fand dann selbst in der gut bepflanzten Voliere keine Ruhe, da sie in auch am Boden verfolgten. Man ließ dem Vogel durchaus die Möglichkeit zum Schlaf aufzubaumen oder normal zu fressen. Aber es gab eben die besagten “Spielstunden” und ohne mein Eingreifen hätten sie dem Tier doch das Leben kosten können. Aus Erzählungen ist mir bekannt, dass selbst die Gemeinschaftshaltung mit Pfauen oder Ohrfasanen nicht funktionierte, wobei hier auch von direkten Attacken berichtet wurde.

Die Vermehrung dieser Kitta-Art ist bei uns kein Problem mehr. Vorausgesetzt, man bietet ihnen in einem Strauch (bei mir in der besagten Fichte) einen Nistkorb an. Nach wiederholten Inspektionen des Nistkörbchens verläuft der Nestbau ziemlich zügig. Bei mir verwenden sie ausschließlich kleine Zweige, die sie aufsammeln oder aus dem Spireastrauch kneifen. Angebotene trockene Gräser oder Laub verwenden sie nicht. Vorangegangen ist eine recht interessante Balz. Auch wenn die Rotschnabelkittas viel in Bewegung sind, wobei sie nie hektisch wirken, finden sie in dieser Zeit mehr ruhige Momente, in denen sie sich gegenseitig füttern, schnäbeln oder ziemlich eng neben einander sitzen. Das ist erwähnenswert, da sie sonst doch immer etwas Abstand zueinander halten. Es gibt zwar Körperkontakte, aber nicht so andauernd wie in der Vorbrutzeit. In relativ synchronen Bewegungsabläufen wird zeitweise gemeinsam die Voliere durchstreift, wobei sich besonders zeigt, welchen Platzbedarf sie haben. Vor der Kopulation fächert das Männchen mehrmals kurz seinen Schweif etwas auf und überspringt das Weibchen zwei- bis dreimal seitlich.

Im Jahr 2012 wurden von meinen damals gerade geschlechtsreifen, einjährigen Tieren zwei Gelege von nicht nur 3- 5 Eiern (laut Marcordes und Pagel), sondern je 7 Eiern bebrütet. Neun Jungtiere wurden erwachsen. Im Jahr 2013 wurden bereits im schneereichen März 5 Eier gelegt und bebrütet. Bei den ständigen Minusgraden sah ich eine zu große Belastung für die Tiere und nahm das Gelege weg.

Es werden jährlich zwei bis drei Brutversuche unternommen. 2016 verließen die letzten Jungtiere Ende September das Nest.

 Gelege

Bei der Brut wechseln sich beide Tiere ab, wobei das Weibchen ganz klar die meiste Zeit auf dem Nest verbringt. Nach etwa 18 Tagen schlüpfen die Jungen und nach weiteren ca. 4 Wochen verlassen sie noch nicht ganz flugfähig das Nest.

Jungvögel einen Tag nach Verlassen des Nestes

Weitere zwei Monate später haben sie ihr weiß-graues Gefieder verloren und ähneln farblich ihren Eltern. Die Eleganz der Bewegungen fehlt ihnen jedoch noch.

Das Vertreiben der Jungen aus vorangegangener Brut vor Beginn einer nächsten ist bei vielen Vogelarten normal. Dabei trifft es bei den Kittas ausnahmslos die jungen Männchen, die dann bis zum Tod getrieben und attackiert werden. Auch wenn nicht die gesamte Nachzucht, sondern immer nur einzelne Tiere gejagt werden, fange ich bei den ersten Anzeichen der Unruhe alle jungen Männchen raus.

  Jungvogel

Beringt werden sollten die Jungen im Alter von zehn Tagen mit einem Ring der Größe 7,0 mm. Anfangs verwendete ich blanke Aluminiumringe und es störten sich die Alttiere nicht daran und versuchten nicht, ihren Nachwuchs von den Ringen zu befreien. Hier gibt es sicherlich in der “Ansichtssache” der Eltern individuelle Unterschiede. Vielleicht sind meine Kittas toleranter als andere.

Die abgesetzten Jungvögel brauchen eine große Voliere, da sie noch sehr ungestüm umherstürzen. Man kann sie lange zusammen halten. Mit ihrer zunehmenden Wendigkeit wird es auch für den Betrachter angenehmer, ihnen zuzuschauen. Sie ähneln doch sehr Jugendlichen, die einfach nur Spaß suchen, wobei – wie bei der Goldfasan-Geschichte beschrieben, nicht jeder Beteiligte dabei Spaß haben muss.

Fazit:

Dieser wunderschöne, aktive Rabenvogel, mit seiner hohen Auffassungsgabe und seinem Betätigungsspektrum ist es wert, nicht fast wieder aus unseren Volieren zu verschwinden. Man sah Rotschnabelkittas in den 1990er Jahren relativ häufig in Zoos und Vogelparks. In den darauffolgenden 10 Jahren wurden sie seltener gepflegt und bei privaten Haltern zu Raritäten. Dieser Zustand hat sich in den letzten Jahren dahingehend geändert, dass es eine große Nachfrage gab, in deren Folge es – wie immer – einen Kaufpreisanstieg gab. Mittlerweile gibt es wieder Absatzschwierigkeiten für Nachzuchten und der Preis hat sich halbiert.

Rotschnabelkittas sollen älter als 15 Jahre werden – ich wünsche es mir sehr für meine!

verwendete Literatur:

Theo Pagel / Bernd Marcordes

“Exotische Weichfresser”

Verlag Eugen Ulmer KG (2011)

ISBN 978-3-8001-5192-9

Die erste Fassung dieses Beitrags erschien in der VZE-Zeitschrift “Vogelwelt” Heft 07/2013

überarbeitet Januar 2017

Autor: Bernd Simon