4 Okt, 2017

Rotkopfwürger

Der Rotkopfwürger

Lanius senator (Linné, 1758)

© T. Ratjen

  Porträt Rotkopfwürgermännchen

Über meine Erfahrungen in der Haltung und Zucht des Rotkopfwürgers in den letzten Jahren möchte ich hier berichten.

 

Systematik:

Ordnung: Passeriformes – Sperlingsvögel

Unter Ordnungen: Passeres – Singvögel

Familie: Laniidae – Würger

Unter Familie: Laniinae – Eigentliche Würger

Gattung: Lanius

Unterarten: Lanius senator niloticus (Naher Osten nördlich bis SO-Türkei); Lanius senator badius (westliche Mittelmeerinseln)

 

Namen:

Englisch: Woodchat Shrike

Französisch: Pie-griéche â tête rousse

Italienisch: Averla capirossa;

Holländisch: Roodkop Klauwier

Spanisch: Alcaudón Común

 

Verbreitung:

Das Verbreitungsgebiet reicht von Nordafrika und der Atlantikküste über die Halbinseln und Inseln des Mittelmeeres bis Anatolien und an die Levanteküste (südwärts bis Israel) und, in aufgesplitterten Verbreitungsinseln, durch den Nordirak, die SE Türkei, Transkaukasien und Aserbeidschan bis in den Iran (S Kaspi-Niederung sowie Zagros südostwärts bis in die Provinz Kerman). Im unter atlantischem Klimaeinfluß stehenden West- und Mitteleuropa reicht das (dort seit Jahrzehnten schrumpfende) Brutgebiet weit über den mediterranen Bereich hinaus bis Nordfrankreich und in die Beneluxländer sowie, bei ostwärts zunehmend lokaler und unbeständiger werdendem Auftreten, bis Polen, in die Tschechische Republik, Slowakei und Ungarn. L. s. niloticus kommt im gebirgigen Westsyrien und Nordirak als Brutvogel bis 1850 m ü. M. vor. Im Maghreb, wo die Art regelmäßig bis 1200 m brütet, gibt es je einen Brutbeleg in 1800 m in der Grande Kabylie / Algerien und in 1900 m im Hohen Atlas/Marokko.

Der Rotkopfwürger ist Zugvogel. Die Art überwintert im tropischen Afrika im Trocken- und Feuchtsavannengürtel zwischen Sahara und Regenwaldblock, von etwa 15°N bis 5°N in West- und von 13°N bis 2°N in Ostafrika, vereinzelt schon in Oasen der Sahara. In Mitteleuropa verlassen erfolglos brütende bzw. ledig gebliebene Rotkopfwürger die Territorien gewöhnlich ab Anfang Juli, die übrigen ziehen zwischen Ende Juli und Mitte September mit Schwerpunkt im August weg.

Die Mehrzahl bezieht ihre Brutgebiete Anfang Mai, Zugbewegungen halten bis Ende Mai (bei ungünstiger Witterung bis Anfang Juni) an. Die Art zieht nachts.

 

Biotop:

In Südeuropa sind die Würger typische Vögel der Macchie, aber auch in Olivenhainen und gebieten mit Korkeichen anzutreffen. In Mitteleuropa nutzt der Rotkopfwürger nur ein schmales Segment aus dem breiteren mediterranen Habitatspektrum. Wichtig bleiben teilweise offene Flächen mit kurzer, die Jagd auf Bodenarthropoden ermöglichender Krautschicht; L. senator toleriert im Vergleich zum Neuntöter (L. collurio) einen größeren Deckungsgrad der Strauchschicht und bevorzugt einen dichteren Baumbestand. Stellenweise brüten oder brüteten beide Arten in direkter Nachbarschaft. In Mitteleuropa werden besonders alte, extensiv bewirtschaftete und entsprechend reich strukturierte Obstgärten und Streuobstwiesen, wo es sie noch gibt auch Obstbaumalleen an Landstraßen besiedelt. Seltener angenommen werden auch Hochstammplantagen, Pappel- und Lindenalleen. In Zeiten größerer Dichte brüteten manche Paare in baumdurchsetzten Hecken, in Ufergehölzen und an aufgelösten Waldrändern. Stellenweise in lichten trockenen Kiefernwäldern. Obstgärten am Rand bäuerlicher Siedlungen werden besonders bevorzugt, wohl, weil dort durch täglichen Futterschnitt oder kleinflächige Beweidung ständig Flächen mit kurzgeschorener Bodenvegetation oder durch eingeschaltete Gemüsegärten offener Boden mit Bohnenstangen als besonders günstige Jagdbiotope zur Verfügung stehen. Auf dem letzten Höhepunkt der Bestandsentwicklung um 1950 brütete der Rotkopfwürger bei Frankfurt am Main/Hessen nicht nur wie gewohnt in den Obstbaugebieten, sondern auch an Schonungen und Verkehrsschneisen in Kiefern- und Buchenalthölzern im Kiefernwaldgebiet des Umlandes. Die Mehrzahl der mitteleuropäischen Brutgebiete lag unter 500 m ü. M., doch reichte die Brutverbreitung in Baden-Württemberg stellenweise bis 600 m (höchster Brutplatz 820 m) ü. M., in der Schweiz bis 600–900 m

 

Beschreibung:

Größe ca. 18 cm. Ad. Brutkleid Männchen: Eine ein breites Stirnband, Zügel und Ohrdecken einschließende Maske ist schwarz mit zwei großen rundlichen weißen Flecken über der Schnabelwurzel und einigen weißen Federn im hinteren Augenwinkel. Scheitel, Nacken und vorderer Vorderrücken sind kastanienbraun, die folgenden Federn braunschwarz mit schmalen kastanienbraunen Spitzensäumen. Schultergefieder weiß, Rücken schwarz mit feinen weißlichen Federsäumen, Bürzel und Mehrzahl der Oberschwanzdecken weiß, die längsten grau mit schwarzer Spitze. Ganze Unterseite weiß, Flanken rahmfarben. Schwanz schwarz, an ST 1 mit wenig oder ohne Weiß, an den übrigen mit von den Decken verborgenen weißen Basen und mit von ST 1 bis ST 5 breiter werdenden weißen Spitzen, ST 6 überdies mit weißer Außenfahne. Handschwingen braunschwarz mit feinen weißlichen Säumen und weißen Abschnitten. Armschwingen braunschwarz mit an der Spitze breiter werdenden weißen bis rahmfarbenen Säumen. Handdecken braunschwarz mit weißen Spitzen, Große und Mittlere Armdecken sowie Randdecken braunschwarz mit rahmfarbenen Rändern. Achselfedern und ventrale Flügeldecken schwarzgrau und weiß.

  Rotkopfwürgerweibchen

Ad. Brutkleid Weibchen wie Männchen , aber insgesamt brauner. Maske nicht so ausgedehnt und vor allem am Rand mit braunen Federn durchmischt, weißer Teil über der Schnabelwurzel ausgedehnter, Vorderrücken schwarzbraun, Rücken (bräunlich) schwarz, einzelne Brust- und Flankenfedern mit feiner dunkler Bogenzeichnung. Ad. Ruhekleid Männchen und Weibchen ähnlich Brutkleid, aber oberseits mit etwas breiteren hellen Säumen, diese wie die Unterseite rahmfarben getönt. Frischgeschlüpfter Nestling: Die wenigen Dunen an den Unterseitenfluren  sind weiß. Jugendkleid: Ganze Oberseite von der Stirn bis zum Hinterrücken weißlich bis (rost)bräunlichgrau, jede Feder mit einem breiten schwarzbraunen Bogenabzeichen, die Schulterfedern am hellsten; Bürzel ziemlich einfarbig blass (rost)bräunlich, Oberschwanzdecken hell rostbraun. Zügel weißlich und braun gemischt, Ohrdecken bräunlich mit feinen schwärzlichen Sprenkeln. Unterseite (bräunlich) rahmfarben, mit Ausnahme von Bauchmitte und Unterschwanzdecken mit schwärzlicher Bogenzeichnung. Steuerfedern dunkelbraun. Hand- und Armschwingen brauner als bei ad. und mit breiteren rahmfarbenen bis beige Rändern und weißlichen Spitzen, die Schirmfedern mit ausgedehnten bräunlichen

Mittelflecken. Schnabel bei juv. dunkelgrau mit hellerem Unterschnabel, bei ad. Oberschnabel glänzend (gegen die Basis zu blau-)schwarz, Unterschnabel blaugrau. Füße schieferschwarz. Augen: Iris dunkelbraun.

Der Gesang ist ein kontinuierliches, nicht in Strophen gegliedertes Geschwätz mittlerer Lautstärke, das aus harten und rauen Lauten sowie vielen Imitationen von Stimmen anderer Vögel zusammengesetzt wird. Er beginnt meist mit Erregungsrufen und enthält oft Imitationen in 2–4facher Wiederholung, manchmal auch in längerer Folge, oder aneinander gereihte verschiedene Lautäußerungen einer Vorbildart. Die Imitationen folgen viel weniger dicht aufeinander als beim Neuntöter, und die dazwischen vorgetragenen Reihen arteigener Laute klingen (im Vergleich zum dünner klingenden Gesang vom Neuntöter) recht kräftig und „kompakt“.

Die Unterart badius ohne Weiß an der Handschwingenbasis. Bei niloticus reicht das Weiß bis über das basale Drittel der mittleren Steuerfedern.

 

Ernährung in der Natur:

In der Natur ist Wartenjagd auf Bodentiere, die praktisch ausschließliche Jagdtechnik. Der Rotkopfwürger ist Insektenjäger, bei dem andere Beute (Lurche, Eidechsen, Kleinvögel) ganz zurücktritt und nur unter besonderen Bedingungen (z.B. gelegentlich bei Mangel anderer Nahrung wegen Schlechtwetters) erbeutet wird. Bei ungünstiger Witterung (Dauerregen, Wind) fliegen Rotkopfwürger gelegentlich auf den Boden und suchen dort umherhüpfend längere Zeit Nahrung. Auch Aus-dem-Boden-Ziehen eines Regenwurms und Aufnahme von

Insekten an der Oberfläche einer Wasserlache im Rüttelflug wurde beobachtet. Das den Würgerarten eigene Aufspießen  und Einklemmen von Beutetieren steht u. a. mit deren Größe in direktem Zusammenhang und tritt wohl wegen der dominierenden Insektennahrung bei L. senator nur ausnahmsweise auf. Es kommt aber vor allem beim Verzehr der seltenen Wirbeltierbeute regelmäßig vor.

 

Ernährung:

Meinen Insektenfressern steht das ganze Jahr über ein Weichfutter der Fa. Mucha Terra (www.muchaterra.de) zur Verfügung. In der Fortpflanzungszeit wird hiervon allerdings wenig aufgenommen, dann besteht die Nahrung fast ausschließlich aus animalischer Kost. Es werden Pinkies, Buffalos (beides gefroren), lebende und gefrorene Heimchen, Insekten aus der Lichtfalle sowie Mehlkäferlarven und -puppen gereicht. Das Frostfutter wird leicht mit einem Vitaminkalk der Fa. Backs bestäubt, die Mehlkäferlarven abwechslungs- und Vitaminreich ernährt. Mein Lebend- und Frostfutter beziehe ich in hervorragender Qualität ebenfalls von der Fa. Mucha Terra. Insekten aus einer Lebendfalle gebe ich vor dem Verfüttern für einige Minuten in einen Kühlschrank, dadurch erstarren sie und können nicht mehr so leicht entweichen. Wie die Heimchen werden diese Lebendinsekten den Vögeln in einer höheren glatten Kunststoffwanne angeboten. Die Würger lernten sehr schnell die Insekten in diesen Behältern zu erbeuten. Größere Beutetiere werden beim Verzehren oft mit dem Fuß festgehalten um Stücke davon abzureißen. Nachdem die Jungen selbständig waren wurde auch Drohnenbrut angeboten, während der Brutzeit gebe ich diese meinen Vögeln nicht mehr, da diese sonst leicht zu triebig werden. Gefrorene Heimchen wurden jetzt von Alt- und Jungvögeln nicht mehr aufgenommen. Außerhalb der Brutzeit, nach der Mauser, wird das Futter wieder auf Mehlwürmer und  Weichfutter reduziert um die Vögel im Frühjahr durch gesteigerte Lebendfuttergaben wieder in Brutstimmung zu versetzen.

  Weibchen auf dem Nest

Fortpflanzung:

Als ich die Rotkopfwürger bekam befanden sie sich in einem recht schlechten Gefiederzustand und wurden von mir einzeln in kleineren Volieren von 2x1x2m (LxBxH) in einem Innenraum bei einer Temperatur von um die 10°C. untergebracht. In diesen Volieren wurden die Würger auch überwintert. Nach der Mauser im März / April des Folgejahres wurde das Männchen an warmen Apriltagen in die Aussenvoliere gesetzt. Diese hatte die Maße 3x2x2,2m. Die Voliere ist nur spärlich mit Eibe und Gräsern bepflanzt und komplett mit Klarsichtplatten überdacht. Im hinteren Teil ist sie dreiseitig mit Rauspundbrettern geschlossen, an diesen Wänden werden Kieferzweige befestigt in denen Nisthilfen angebracht werden. Das Dach wird hier mit einem Schattennetz, wie man es in Gärtnereien verwendet, überspannt. Bilder meiner Volieren finden Sie übrigens auch unter www.vogelfreundekaltenkirchen.de. Die Würger werden aufgrund ihrer aggressiven Art nicht vergesellschaftet. Anfang Mai wurde das Weibchen zu dem Männchen gesetzt und ich erwartete mit Spannung was passieren würde und es passierte – Nichts! Die Vögel ignorierten sich völlig und das sollte sich auch die nächsten Tage nicht ändern. Als ich begann lebende Heuschrecken in die Volieren zu geben begann das Männchen schlagartig mit der Balz. Bei der Balz setzt sich das Männchen steil aufrecht, die Vorderkopffedern aufgerichtet, das übrige Gefieder knapp angelegt, etwa rechtwinkelig unmittelbar neben das Weibchen und senkt und hebt unter anhaltendem Gesang den mit tief geneigtem Schnabel angewinkelten Kopf. Nach dem Singen, meist auf einer hohen Warte, fliegt das Männchen oft in das Innere der Kieferzweige, hüpft dort singend und lockend umher und zeigt ein wohl als Nestplatzzeigeverhalten deutbares Abwärtspicken. Die Nistplatzwahl erfolgt durch das Männchen, von dem auch die Initiative zum Bau ausgeht. Es wurden in beiden Jahren durch die Männchen zwei unterschiedliche Nester gebaut. Im ersten Jahr wurde ein recht großes geflochtenes Körbchen gewählt und ein Rohbau aus relativ groben Wurzeln erstellt in den das kleine Napfnest aus feinem Material (frische und trockene Gräser, Kokosfaser) gebaut wurde. Der Nestbau erfolgt durch Männchen und Weibchen, die beide selber Material zutragen und verbauen. Es wurden 5 Eier gelegt, die ausschließlich vom Weibchen ca. 15 Tage lang bebrütet wurden. Die Eiablage erfolgt im 24-h-Rhythmus. Die Jungen schlüpften innerhalb von 48 Stunden. Der dadurch zustande gekommene Größenunterschied  wurde im Laufe der ersten Woche nahezu ausgeglichen. Das Futter, bevorzugt lebende kleine Heimchen, wird in den ersten Tagen vom Männchen an das hudernde Weibchen übergeben, dann füttern beide Partner die Jungen direkt. Im Alter von 5 Tagen wurden die Jungen von mir mit AZ – Artenschutzringen der Größe 3,5mm gekennzeichnet. Die Beringung wurde von den Altvögeln nicht übel genommen. Lediglich das Weibchen setzte sich neben das Nest oder auf den Nestrand und hackte mir in die Hand wenn ich ins Nest nach den Jungen griff. Nach ca. 16 bis 18 Tagen fliegen die Jungen aus, sitzen die ersten Tage meist in im Gezweig wo sie aufgrund ihrer Gefiederfärbung oft schwer zu entdecken sind. Mit ca. 20 Tagen sind die Jungen richtig flügge. Die Familie bleibt in der Natur meist noch 5 bis 6 Wochen zusammen. In der Voliere begann das Männchen nach dieser Zeit die Jungen gelegentlich zu jagen. Dies hörte mit Beginn der Mauser der Altvögel Ende Juli schlagartig auf. Im November brachte ich die Vögel wieder ins Winterquartier, einige wurden abgegeben. Hier wurden sie getrennt untergebracht, aber mit anderen Arten wie z. B. Meisengimpel und Maurenbuchfink vergesellschaftet. Dies stellte sich als Fehler heraus da innerhalb von 2 Tagen jeweils ein Vertreter jeder Art getötet, aber nicht gefressen, wurde.

 

Ein Nachzuchtmännchen wurde Ende April in die Aussenvoliere gesetzt und nun zusätzlich mit gefrorenen und lebenden Heimchen gefüttert, diese wurden ohne Schwierigkeiten angenommen. Heuschrecken wurden von diesem Männchen lediglich totgebissen, nicht verzehrt. Eine Woche später wurde das Weibchen in die Voliere gesetzt und das Männchen begann sofort damit sie anzubalzen. Selbst als ich die Voliere betrat und nur noch ca. 1,5m vor dem Vogel stand ließ er sich nicht stören. Überhaupt sind diese Würger sehr ruhige, zutrauliche Vögel. Das Männchen konnte bereits am nächsten Tag beobachtet werden wie es frische Grashalme in Nistgelegenheiten legte und diese dem Weibchen zeigte. In diesem Jahr wurde ein Nest in einem kleinen Körbchen errichtet, dieses wurde ausschließlich aus frischen und trockenen Gräsern erstellt (siehe Bildmaterial). Es wurden 6 Eier gelegt die alle befruchtet waren und es sind 6 Jungvögel geschlüpft und ausgeflogen. Es wird von den Rotkopfwürgern nur eine Jahresbrut durchgeführt.

  Nest und Gelege

  wenige Tage alte Junge

  Rotkopfwürger kurz vor dem Ausfliegen

Autor: T. Ratjen ; Fotos: T. Ratjen

 

Literatur:

Limbrunner, Bezzel, Richarz, Singer „Enzyklopädie der Brutvögel Europas“ Kosmos

  1. N. Glutz von Blotzheim „Handbuch der Vögel Mitteleuropas“